Die Geschichte von der armen Prinzessin

(Achtung: Hinweis der "Redaktion": Die folgende Geschichte enthält einige harte Ausdrücke, die für Kinder vielleicht nicht unbedingt geeignet sind.)

Ein altes modernes und wahres Märchen, das zu einem avantgardistischem Roman wird.

Vor langer Zeit lebte einmal in einem schönen friedlichem Lande ein Adeliger, Herzog, Fürst, was sicherlich ein Unterschied sein mag, oder lassen wir ihn einen Grafen sein mit seiner Frau, die hatten drei Kinder. Und als die Gräfin, so nennen wir sie, in das Alter kam, daß sie keine Kinder mehr bekommen sollte, wurde sie schwanger und fiel darüber in große Sorge, denn es gefiel ihr gar nicht. So überlegt sie dann, daß es wohl besser sei, das Kind würde gar nicht geboren werden.
Und so dachte sie darüber nach, was wohl zu tun sei, sie beriet sich mit ihren Freundinnen und die wußten eine Frau am Hofe, die das Kind wohl töten konnte, bevor es geboren wurde. Und so wurde heimlich und mit viel Verstand - aber letztlich ohne Vernunft - alles in die Wege geleitet und unternommen, was dazu nötig war.
Es geschah aber, daß - obwohl das Kind den größten Gefahren und gefährlichsten Maßnahmen ausgesetzt war - diese ihm auf unerklärliche Weise nicht schadeten, und so kam es, daß der Gräfin eine Tochter geboren wurde.
Obwohl die Gräfin alles andere als froh darüber war, mußte sie anerkennen, daß ihr Kind außergewöhnlich schön und begabt war und von allen Menschen gemocht wurde. Die Prinzessin wuchs heran, wurde immer schöner und die Menschen, die ihr begegneten, waren von ihrem Wesen angetan. Es war, als hätte sie irgend etwas, das die Menschen sie für sie einnehmen ließ.

So verging die Zeit, die Prinzessin, erhielt die beste Ausbildung am Hofe, in den besten fernen Schulen und bekam mehrere Professoren, die Gefallen an ihrem Verstand fanden, wohnte im Wohlstand ihres Vaters und war der Mittelpunkt dessen Gesellschaft. Gleichwohl liebte sie es, durch die Wälder zu streifen, was sie allein und ohne Furcht tat. Sie sprach mit den Tieren und Pflanzen in der Wäldern und hörte, was ihr die rauschenden Bäche an alten Geheimnissen erzählten, die sie vor den lauten Menschen, von denen ohnehin keiner in die dichtesten Winkel des Waldes vordrang, geheim hielten.
Die Prinzessin hörte, was die Vögel sangen am Morgen und am Abend und wußte bald über die Weisheiten und Verborgenheiten, die am Hofe im geschäftigen Getriebe schon lange nicht mehr gehört wurden.

So kam eine Zeit, die Veränderung brachte: Ihr Vater der Graf wurde krank, daß kein Arzt am Hofe Rat wußte, die Gräfin wandte sich noch mehr von ihm ab und als niemand mehr helfen konnte und wollte, kam die Zeit, wo alle den Grafen verließen. Seine Kinder täuschten Geschäfte vor, die Gemahlin reiste in die große Stadt und ließ sich Kleider machen, um angemessen zu den Feierlichkeiten der Beisetzung repräsentieren zu können und der alte Graf, den man an einen Ort weg vom Schlosse hat bringen lassen, damit er mit seinem Leiden nicht die unbeschwerte Stimmung am Hofe trübe, lag nun dort und wartete auf seinen Tod.
Und als die Stunde seines Todes kam, und er sich von allen verlassen sah, abgesehen von den fremden Ärzten und Pflegerinnen und Pflegern, die man ihm bestellt hatte, kam seine kleine Prinzessin, die inzwischen eine schöne, begehrenswerte junge Frau geworden war, in sein Sterbezimmer. Denn die Gräfin hatte sie rufen lassen, damit die leidige Geschichte ein offiziell würdiges Ende nähme und diese Aufgabe lag ihr nun gar nicht, so hatte sie die Prinzessin herbeigebeten, die an das Bett des Grafen, Ihres Vaters, geeilt kam, ihn sterbend vorfand, ihn tröstete, mit ihm sprach, ihn in ihren Armen hielt und ihn hielt, als er starb.
Und obwohl der Graf seine Tochter geliebt hatte, war er fern von ihr sein ganzes Leben. Im Moment des Todes, erkannte er, wie sehr er sie geliebt hatte und was für ein wunderbarer Mensch sein ehemals kleine Prinzessin war. Er dachte daran, wie er sie die Pflanzen, Tiere und Wege in den Wäldern gelehrt hatte, als sie noch klein war und er hoffte, daß es ausreichend war, was er an Zeit und Liebe an sie aufgewendet hatte, denn es fiel ihm jetzt ein, daß er seine Zeit mit Regieren und Geschäften und mit seiner Geliebten verbracht hatte. Und so sah er noch einmal sein ganzes Leben vor sich ablaufen und erkannte vor seinem Tod, daß es Geheimnisse gab, die Menschen verband und Menschen auch trennen konnte.
Und so kam es, daß der alte Graf, den nie einer hatte weinen sehen, plötzlich weinte und in den Armen der Prinzessin starb. Dieses war der Moment, als die Prinzessin und der Graf einen Moment Zeit für sich allein im Leben hatten, für die es keine Zuschauer und Zeugen gab, kein Hofstaat und keine Familie.

Nach dem Tod des Grafen übernahm die Gräfin die Geschäfte und sie war froh, endlich nach ihrem Willen die Dinge tun zu können und so kam es, daß sie, da sie schon alt geworden war, dachte, ich will mir eine gute Zeit machen und sie ließ Kaufleute und Händler kommen und begann zunächst Teile aus der Schatzkammer des Schlosses an diese zu verkaufen, zunächst gegen teures Geld, aber je leichter es ihr fiel und je mehr sich die Dinge einspielten, verloren die Käufer und die Gräfin ihre Hemmungen und schließlich feilschten und verscherbelten sie gemeinsam, nötig den höflichen Deckmantel einer Tugendsamkeit wahrend, immer mehr und immer schneller die Kostbarkeiten und Prätiositäten. Außerdem lernte die Gräfin was Macht ist und was Macht kostet und sie merkte, daß es aufwendig war, Ihre Macht zu erhalten, wenn die Autorität und die natürliche Würde nicht hinreichend hervorgetan waren. So versuchte sie mit Macht ihre Kinder zu arrangieren, untereinander und gegeneinander und dieses kostete ebenfalls viel Geld.

Die kleine, große Prinzessin aber hatte alles hinter sich gelassen, die Salons mit den Rauchzimmern und Terrassen, die seidenen Tapeten, die Klingeln für die Bediensteten, die Gäste, die kamen, um Geschäfte mit dem Grafen zu machen, teilweise bis aus dem Orient, die intimen oder lauten Feste in den Nächten, wo das Lachen schöner, wilder Frauen in den Räumen widerhallte und verwegene, harte Männer aus der Runde des Grafen versuchten, mit ihm zu konkurrieren, was sicherlich nicht sonderlich schwer war oder wußten, was sie in den Nächten für Wünsche hatten.
Die Prinzessin ließ alles zurück, die kleinen Kräutergärten an der Küche, die verschwiegenen Wege der Kindheit, die Bücher, die Bilder. Nur die Erinnerung nahm sie mit und lebte in dem „Königreich nebenan“ hinter den Bergen, bescheiden und in der Erwartung und Gewißheit Ihrer Liebe, die kommen und sie finden lassen würde.

Und so geschah es eines Tages, daß ein Freund aus frühen Tagen ihren Weg kreuzte und sie mit einander in Kontakt kamen, sich trafen und wieder trafen und die Prinzessin merkte, daß sie sich verliebt hatte, in den Prinzen ihrer frühen Tage.
Gebildet vom Hofe, wußte sie mit den Aufwartungen der Edlen und Nichtedlen umzugehen und kannte ihr Gefühl. Hier geschah es aber, daß es ihr schien, als sei ein unsichtbares Band aus unsagbarer und früher Zeit mit diesem jungen Mann, das sie verband und das wundersam war.
So verbrachte sie die Zeit mit dem Prinzen und mit jeder Stunde des Glückes wurde ihr klar, daß dieses dieser Mann die Liebe ihres Lebens war, daß sie geboren war, um ihn zu finden und sie schenkte ihm ihr Herz bedingungslos und voller fröhlichem Glück.
Sie erwartete die Stunden und Minuten, mit ihrer Liebe zusammen zu sein, ihn zu sehen, seine Stimme zu hören, seine Anmut zu spüren und seine Liebe zu erfahren und es war so, daß dieser Prinz wie sie fühlte, er konnte sein Glück nicht fassen, so war er wie betrunken vor Erfüllung, in seinem Leben angekommen zu sein.

So eilten die Herzen und Sinne dieser beiden aufeinander zu, wie ein Pfeil der sein Ziel erreicht, glückselig, sich zu kennen und allein vom anderen zu wissen.
Die Liebenden spürten, daß ihre Herzen, ihr Atem und ihre Seele in Ruhe und in Wildheit den gleichen Takt schlugen. Es war sogar so, daß die Prinzessin, die einen wunderschönen weißen Kater mit schwarzen Tupfern hatte, merkte, daß ihr Geliebter einen wunderschönen schwarzen Kater besaß, den er über alles liebte.
Die Prinzessin, von der man nicht wußte, vielleicht spürte, daß sie eine Prinzessin war, wurde daher eingeladen, denn die Familie des Prinzen, veranlaßte, daß man die Prinzessin kennenlernen wollte.
So wurde ein zufälliges Zusammenkommen hergestellt und die Prinzessin erfuhr, daß der Vater des Prinzen, wie ihr eigener unter ähnlichen Umständen verstorben war, und der Prinz mit seiner klugen Mutter, einer betagten Fürstin, möchten wir sie nennen, auf ihrem Besitz lebte.
Dort ging der Prinz seinen Geschäften nach, die schwierig, hart und fordernd waren, denn die Zeit hatte sich verändert und eine harte Zeit war über auch über diese und alle gekommen.
Zudem war die alte Fürstin fordernd und ließ dem Prinzen wenig Raum, die Dinge nach seinem Gefühl zu gestalten. Andererseits war die Fürstin ihrem Sohn gegenüber großzügig und bezahlte ihn für seine Gefälligkeiten und Dienste, die er ihr am Hofe erwies. Er merkte aber, daß er ihr ausgeliefert war, er mochte die Zuwendung seiner Mutter nicht missen, denn es war ihm bewußt, daß er in seinem Leben viel an Zuwendung und Liebe vermißt hatte und daß es das war, was ihn so nach Liebe sehnen ließ und so oft traurig machte und so ließ er sich bezahlen, um die Liebe der Fürstin zu behalten.

Als der Tag der Einladung kam, sangen die Vögel und der Himmel war blau und die Sonne schien, als wollte sie den beiden Liebenden versichern, sorgt euch nicht, ihr steht unter einem guten Schutz, den besten, den Liebende finden können. Und so war es auch.
Die Gesellschaft traf sich im Garten und es wurde angenehme Getränke und feines Gebäck gereicht und alles war wunderbar, wie von unsichtbarer Hand arrangiert, aber ein aufmerksamer Beobachter hätte merken können, daß manche Zufälligkeiten einem Kalkül entsprangen und man bei Hofe sicher gehen wollte, wer ist denn nun diese junge Dame, die solchen Eindruck als Mensch auf andere Menschen macht?
Natürlich wurden die Hofbeamten diskret angehalten, Dinge in Erfahrung zu bringen, die Familie spekulierte, man diskutierte in ziemendem Rahmen und die Hofdiplomatie ließ die Kontakte spielen. Man hörte sich um, was sagte die Prinzessin selbst, es wurden ihr harmlose, freundliche und doch hintergründige Fragen gestellt, wer sie denn sei und was man glaubte, wissen zu müssen. Der befreundete Notar am Hofe wurden diskret befragt und gab seine Meinung ab, die mehr Urteil als Meinung war, denn auch ihm war das einnehmende Wesen der Prinzessin unbehaglich, war er doch selbst hölzern und trocken. Benachbarte Grafen und Fürsten waren wie zufällig anwesend und waren neugierig zu erfahren, wer ist die Liebe des Prinzen? Höflich und zurückhaltend gaben sie ihre Meinung ab, manchmal sehr abgewogen, denn auch sie hatten Interessen, was den Besitz der Fürstin nach ihrem Ableben betraf.
Eine ältliche Gräfin, die - obwohl mit einem verknöcherten Regenten verheiratet - sich diskret schon selbst um die zeitweilige Gunst des Prinzen vergeblich bemüht hatte, glaubte sich zu erinnern, die Prinzessin in einer der großen Städte auf den Flanierstraßen mit gutaussehenden Männern in eindeutiger Umarmung gesehen zu haben?
So schwirrten die Ideen und Spekulationen.
In der Stille des Gartens nahm die alte Fürstin ihren Sohn einen Moment beiseite und - beeindruckt von der Erscheinung der Prinzessin - sagte sie ihm als Mutter, mein Sohn, diese Frau wird Deiner Seele gut tun. Sie wollte es eigentlich nicht sagen, aber es war die Wahrheit, die jeder spürte, aber es war auch eine unerwünschte Gefahr, etwas, daß Dinge aus der täglichen Kontrolle entgleiten ließ und für einen Hofstaat Unruhe, Separatismus und Veränderung in den gewohnten Abläufen darstellen würde. Vielleicht war es auch eine Chance, wenn es sich nach ihren Vorstellungen verhielt? Man würde sehen.... und steuern. Aber nun war sie auch Fürstin durch und durch, und so machte sie eine Pause, die soviel hieß, wie, was wird sie uns bringen und bedeuten, „Deine Prinzessin“, warten wir es ab, mein lieber Prinz und seien wir klug. Dein Wohl liegt mir am Herzen, und ich möchte, daß Du eine gute Partie machst. Du weißt, daß ein Herzog sich um mich bemüht hat, ohne Wissen Deines Vaters, so laß uns jetzt schweigen und abwarten.

Die Prinzessin hatte einen treuen alten Kutscher gefunden, der sie mit einem bescheidenen, alten Einspänner von ihrem Ort zum Schlosse ihres Prinzen fuhr. Und als sie ankam und sich melden ließ, lag ihr Liebster noch im Bett. Und seine Seele flog ihr entgegen, als er hörte, daß sie angekommen sei, nackt sprang er von seinem Gemach auf, jubelnd nahm er die Prinzessin in die Arme, herzte und liebkoste sie in Gegenwart der alten Mutter, die sich verständnisvoll, aber kopfschüttelnd in ihr Gemach begab, um sich für die Feier vorzubereiten.

Und als die Fürstin die Prinzessin traf, nahm sie sie klug beiseite und plauderte mit ihr zwanglos und doch wohl überlegt. Schließlich - vielleicht beeindruckt durch die Kraft dieser jungen Frau - ließ sie sich dazu hinreißen und sagte, meine liebe Dame, mein Sohn lebt hier bei mir am Hofe, und ich liebe ihn natürlich, aber er macht uns Probleme, mit Frauen und mit seinem Lebenswandel, außerdem, werden Sie gemerkt haben, daß er ein Problem mit dem Genuß von Alkohol hat. Wir hatten große Pläne, aber - unter uns gesagt - wir halten ihn für nicht lebensreif, er macht uns Sorgen, vielleicht haben sie einen Zugang zu seiner Seele und bewirken ein Wunder. Und im gleichen Moment, reute es die Fürstin, so zu der fremden Prinzessin gesprochen haben, und sie wurde ärgerlich, wie es geschehen konnte, daß sie sich vergessen konnte.
Und so fragte sie, was machen sie, verehrte Prinzessin, wo kommen sie her, wer sind ihre Eltern und wovon leben sie? Mir scheint, meine Liebe, sie sind so etwas, was man eine gute Seele nennt, das Salz der Erde, aber sagen sie selbst, meinen sie nicht, daß sie etwas weltfremd sein könnten und vielleicht, bei ihrer Intelligenz - ich habe davon gehört und merken tue ich es selbst - es soll ja überintelligente Menschen geben, meine Liebe, die kommen - wie man so sagt - mit ihrem Leben nicht zurecht. Das haben wir hoffentlich von Ihnen nicht zu erwarten, Prinzessin? Oder werden sie sich auch aufhängen wollen, wie so mancher von denen?
Und die Fürstin erzählte der Prinzessin von ihrer eigenen Jugend, angesteckt von dem Gefühl, das sie bei der Prinzessin spürte, von ihrer Liaison mit einem Herzog, wie reich er war, denn er war inzwischen gestorben und ihre Gedanken hingen unabhängig an ihrer Episode, ihrem Teil des Lebens, das er ihr zugestanden hatte, wieviele Frauen er besaß und bezahlte und wie es sie mit Stolz erfülle, eine - und nicht irgendeine - davon gewesen zu sein. Wissen Sie, er hatte viele, die waren alle Dreck, ich war die Wahre.
Verstehen Sie mich überhaupt, werte Prinzessin, wenn ich vom Leben erzähle oder sind Sie vielleicht ein hochgebildete dumme Hofbohne mit Bücherstaub zwischen den Schenkeln? War nur ein Scherz, meine Liebe und Humor und Weltklugheit möchten sie sich doch nicht absprechen?
Nun gehen Sie und kümmern Sie sich um meinen Sohn, ich sehe in seinen glitzernden Augen, er hat etwas getrunken und ich denke, es verlangt ihn vielleicht nach Abwechslung.

So ging die Prinzessin hinaus in den Garten zu ihrem Geliebten, der war umlagert von einer Reihe jüngerer aber vor allem älterer Hofdamen und sie lachten und plauderten Belangloses, was man beim Trinken so spricht. Als er die Prinzessin gewahrte, legte er liebevoll und verlangend seinen Arm um ihre Hüften, zog sie auf sein Knie und ließ seine Hand wie zufällig zwischen ihre Schenkel gleiten, daß sowohl den frommem als und auch den verluderten Hofdamen es prickelte, denn sie spürten, das sie es mit Liebenden zu tun hatten, gegen die es keine Macht gibt.
So waren die einen neidisch und die anderen empört, aber eigentlich begehrten und verlangte alle nach einer solchen Liebe, die sie nicht hatten.

So ging das Fest vorbei, bei dem jeder seine Interessen hatte. Die Prinzessin war aber in Ihrer Liebe, und obwohl Ihre Sinne spürten, was die Menschen bewegte und wie profan sie z.T. ihre Politik betrieben, war sie in ihrer Liebe zu ihrem Geliebten sicher, der sie seine Liebe spüren ließ, daß sie sich sicher wußte.

So kam es, daß die Prinzessin Verlangen hatte, Ihre eigene Mutter zu besuchen, und sie wollte es mit ihrer Liebe und ihrem Geliebten tun, als Zeichen der Bedeutung der Sicherheit Ihrer Entscheidung. Die Gräfin war eine Greisin geworden, abgeklärter als früher und dabei, sich selbst zu finden, jedoch noch immer gesund und voller Leben und Ideen. Nach dem Tode Ihres Gatten lebte sie inzwischen in bürgerlichen Verhältnissen ohne besonderen Luxus, umgeben mit Überbleibseln, Resten ihrer Zeit als Regentin, sie trauerte der Zeit nicht nach.

So reiste das Paar in Liebe zu dem Ort und machten ihren Besuch an einem schönen Tag. Die Prinzessin freute sich, als sie spürte, daß ihr Geliebter angetan war von der Vitalität der Gräfin, einer Kraft ihrer Familie, ein Geschenk der Jugend und der Freude, die auch die Prinzessin in sich wußte. So plauderte man und der Prinz fragte seine Prinzessin, was ihn bewegte, hast Du immer hier gewohnt? Gibt es noch ein Schloß und Ländereien? Hast Du Dein Erbe schon erhalten? Was ist mit Deinen Geschwistern? Erzähle mir von Dir, Liebste, ich möchte alles über Dich wissen. Und die Prinzessin erzählte ihm ihr Leben, wer sie ist, was sie macht und wie sie lebt. Und sie erzählte im gerne von ihren Plänen, Hoffnungen und wie es alles sein wird und sie war glücklich, es ihm sagen zu können und fühlte sich sicher und verstanden.
Sie hatte ihre Liebe und ihr Leben gefunden, welch ein Glück! Was für eine Fügung, was für ein wunderbares Geschenk. Sie hätte ihr Glück jedem Menschen ins Gesicht rufen können.

Welch eine Zeit für Liebende, die dahinflog, Stunde um Tag, Nacht und Minuten....

Mein Geliebter, freust Du Dich, mich zu treffen?
Meine Geliebte komm schnell, fliege zu mir.

Wenn die Prinzessin alleine war, dachte sie an ihr Glück und ihren Geliebten. Wenn sie ihre Arbeit tat, dachte sie an das endlose Glück, das sie gefunden hatten. Wieviel Dankbarkeit spürte sie.
Mein Geliebter, denkst Du an mich?
Ich denke an Dich.
Denke nur an mich, wenn Du möchtest, ich weiß, daß Du an eurem Besitz viel Verantwortung hast.
Ja, antwortete der Prinz, ich denke auch an Dich, wenn ich nicht möchte.

Wo warst Du meine Liebe, doch nicht wieder in der Nähe? Wie denkst Du darüber, wenn Du statt mich so zu lieben, etwas Praktisches machen würdest? Ich habe gesehen, wie Du wohnst und lebst, das wäre zu ändern, wenn wir Pläne haben.
Ich kannte mal eine Frau, die kam aus guter Familie, wie man so sagt und hatte ihre wirtschaftlichen Dinge gut geregelt.
Mein Schatz, mein lieber Prinz, ich arbeite für uns beide, damit wir eine völlig neue schöne Zukunft haben.
Liebste, Du hast Phantasien, sei praktisch und real. Auch wenn wir jung sind, was man in unserem Alter nicht hat oder von Zuhause her hat, das wird nichts mehr.
Offensichtlich bist Du ja sehr klug und ich mag Dich sehr, aber warte nicht auf unsere Liebe und auf mich, ich habe viel zu tun. Du hast ja wohl mal gut über Geld verfügt, aber es ist ja wohl alles gleich ausgegeben worden? Ich mache mir Gedanken, wieso Du kein Schloß und keine Ländereien mehr als Prinzessin hast, da muß es ja wohl einen Grund geben? Was führst so lange Gespräche mit dem alten Gärtner? Wer kann sich einen solchen Luxus von Weisheit leisten.
Ich denke, statt die Zeit mit Deiner Träumerei und Liebe für mich zu verbringen und auf mich zu warten, könntest Du ja in der Art arbeiten, wie es die Leute am Besitz meiner Mutter tun? Du sitzt in den Parks und auf den Stufen verliebt und denkst an mich, das kann ich mir nicht leisten.
Und wenn ich dann mit meiner Arbeit fertig bin, dann muß man ja wohl noch froh sein, Dich zu sehen?
Denke einmal darüber nach.

Die Prinzessin dachte darüber nach. Was sagte der alte weise Gärtner dazu, der soviel wußte?
Liebste Prinzessin, sie lieben ihn. Wie schön für sie.
Und jetzt beginnen sie traurig zu sein, weil ihr schönes Spielzeug kaputt gehen kann?
Warum sollte sich ihr geliebter Prinz ändern, es ist doch viel interessanter so. Und wenn er sich ändern wollte, dann hätte er es ernsthaft zu tun.
Lieber Gärtner, was kann ich tun, um seine Liebe zu erreichen, er ist gut, er fühlt sich nur nicht.
Prinzessin, es gibt nur einen Weg - möglicherweise - wenn sie ihren Prinzen aushalten können.
Aushalten? Seelisch oder finanziell?
Seelisch, Prinzessin, bedenken Sie, Ihr Prinz hat ein nicht alltägliches Schicksal, er ist unschuldig, aber ändern möchte er es ja wohl nicht. Und ob er es kann? Es würde viel, sehr viel Kraft kosten.
Ich gebe Ihnen in Ihrer Not eine Hilfslösung, nehmen Sie - wenn Sie möchten - das, was er Ihnen geben kann oder will, wenn Sie soviel für Ihn fühlen.
Es ist mit den Menschen, wie mit den Pflanzen.
Mit Liebe können Sie Dinge bewegen.
Auf Wiedersehen, Prinzessin, kommen Sie mich nicht mehr besuchen, unsere Zeit ist zu Ende, es war eine gute Zeit. Sie haben viel gelernt, ich wünsche Ihnen beiden gut. Leben Sie wohl.

Da ging die Prinzessin in ihren kleinen Garten und weinte. Einen Tag, eine Woche, einen Monat, ein Jahr.
Die Prinzessin aß nicht mehr, sie arbeitete, aber nur noch, wie in einem Traum. Mein Geliebter, meine Seele, was machst Du mit Dir und mit mir.... und mit uns?

Die Tage wurden dunkel. Dinge wandten sich gegen die Prinzessin. Ihre Pläne stockten, Unternehmungen versandeten. Menschen spürten ihren Kummer und Schmerz und wandten sich ab. Das soll die schöne, kluge Prinzessin sein? Ich kenne sie ganz anders, die hatte mal Licht und Kraft, mit der hätte ich gerne mal. Man hört ja so einiges, scheint ganz schön runtergekommen zu sein, Prinzessin, pah, sind auch nur Menschen. Wir schaffen den ganzen Tag und sind froh für eine Woche frei. Die hat es sich das ganze Leben gut gehen lassen, immer nur Freude, gelacht, Sonne, ich find es richtig, wenn solche, mal eins drauf kriegen, gell Schorsch?

So hörte sie das Lied, hunderte Jahre alt: Es zieht eine dunkle Wolke ein, mich deucht es wird ein Regen sein, ein Regen auf dem Felde, wohl in der stillen Nacht.
Und dachte an Ihren Geliebten. Prinzessin, wir müssen ja nicht jeden Abend Kerzen anzünden?

Zwei Abende, sie erinnerte sich genau.
Wenn Du mich besuchen möchtest, kannst Du gerne kommen, es würde mich nicht stören, ich werde heute abend lesen, vielleicht hast Du ja auch etwas, mit dem Du Dich beschäftigen magst, Morgen früh muß ich vor der Dämmerung in den Wald, weil Bäume geschlagen werden sollen.
Und die nächsten Woche werde ich mit einer Gruppe und einer alten Bekannten ins Ausland verreisen. Wenn Du magst, kannst Du ja gerne auf meine Kater aufpassen, da habe ich noch niemanden für, der ihn wirklich versteht.
So ging die Prinzessin schließlich die einsamen Wege der dunklen grünen stillen Wälder und setzte sich dort und weinte.
Und als sie so weint, sah sie eine alte Frau, die Pilze sammelte und näher kam.
Warum weinst Du, junge Frau?
Die Prinzessin sah auf, eine seltsame Frau, sehr alt, aber jung, wie 18 Jahre. Wer war sie?

Sie sammeln Pilze, gute Frau?
Prinzessin, Du kennst mich nicht, aber ich kenne Dich seit Deiner Kindheit. Ich bin Deine gute Fee, erinnerst Du Dich. Als Du mit den Rehen in den tiefen Wäldern Deines Vaters lagst? Ich kann Dir nicht oft helfen, aber Du hast noch einmal gut. Ich kenne Deinen Kummer.
Kind, Du liebst!
Weißt Du, daß Dich Liebe töten kann? Dich schützt nur, daß Du rein bist in Deiner Liebe, sonst könnte Dir nichts und niemand mehr helfen. Ich werde Dir einen Weg zeigen, wenn Du mir sagst, was Du genau möchtest?

Ich liebe Ihn, weil ich ihn kenne, er ist wie ich, aber er weiß es nicht.
Was soll ich nur tun? Ich bin so verzweifelt, er wird verderben, es kann ihn keiner retten.

Ich werde Dir einen Weg zeigen, eine Möglichkeit, die Dir - Klarheit - geben wird.
Laß es alles geschehen, wenn Du Klarheit haben möchtest, es werden einige Dinge geschehen, die Du nicht gleich verstehen wirst, wenn Du sie geschehen lassen möchtest, wirst Du nachher Klarheit haben, ob er Dich liebt oder nicht und ob Du ihn lieben möchtest.
Du wirst geprüft werden und er auch, und dann wißt ihr voneinander, und was keine Liebe ist, wird abfallen, wie faule Blätter von einem Baum.

Jetzt geh!

Gute Frau, ich möchte es jetzt wissen.
Das geht nicht, Prinzessin, hab Geduld.

Bitte, versteh mich doch, ich bin so verzweifelt. Ich brauche jetzt Klarheit.
Es geht nicht, Prinzessin, aber wenn Du so bittest, dann fahre zu einer Kirche und höre Dir an, wie die Menschen dort singen und beten, dann wirst Du eine Antwort finden.
Gute Frau, ich glaube zwar, aber ich hab es nicht so mit der Kirche! Und was für eine Kirche, gute Frau, wo, wann?

Eine, die Dir einfällt, Prinzessin und rufe mich nicht mehr. Lebe wohl!

Da überlegte die Prinzessin, welche Kirche ihr denn einfallen könne, aber es fiel ihr keine ein, wo jetzt Menschen singen und beten.
Da sie ruhelos war, rief sie den alten Kutscher und ließ den Einspänner, ein Relikt aus besseren Zeiten, vorfahren, was dem alten Mann gar nicht gefiel, denn es zog Sturm und Gewitter auf. Ein Wind peitschte Regen über das Land.
Guter Mann, ich brauche seine Hilfe, es geht mir nicht gut, bitte fahren er mich, fahr er irgendwo hin, ich sage, wann er halten soll.

So fuhr die Prinzessin in die Nacht hinein über das weite Land durch Ortschaften und Dörfer und schließlich gelangte sie in die Stadt von dem Regenten, den man den Großmütigen nennt. Einer Stadt mit einer Universität und Kirchen. Welche fiel ihr ein? Hier war eine gleich ganz nahe, ob dort gesungen wurde?
Sie zog ihren Mantel an und ging durch die verwinkelten Gassen die Steile hinauf, die zu der großen Kirche führte. Ihr Herz schlug, sie dachte an Ihren Geliebten. Das war doch alles Unsinn, was sollte das? Was wollte sie hier? Sie hatte mit Kirchen nicht viel im Sinn.
Sie hätte sich am liebsten auf den nassen Pflasterboden geworfen und geweint.
Warum das alles?

Hier war die Kirche, Licht brannte innen und - sie glaubte es nicht, es sangen Leute darin, mitten in der Woche, um diese Zeit, sie sangen sogar sehr schön.
Was sollte sie jetzt tun? Hineingehen?
Was würde geschehen, würde sie ihren Liebsten dort treffen? Sie wußte nicht, was sie tun sollte? Draußen warten? Sie hatte keine Idee, was richtig war. Auf was hatte sie sich eingelassen?
Sie bereute, überhaupt hierher gekommen zu sein.
Es war ihr zuwider, nichts haßte sie mehr als solche unerklärlichen Dinge. Es war nicht ihre Welt.
Sie überlegte, in einem Gasthaus einzukehren und über ihre Liebe nachzudenken.
Wie hatte er gesagt, heute habe ich einen Tag frei am Hofe, vielleicht können wir uns sehen? Bis bald! Prinzessin! Und wie er es gesagt hatte. Allein dafür liebte sie ihn.
Wie sehr sie ihn liebte, ob er das je verstehen würde?

Was hatte man ihm bloß angetan. Sie wußte Einzelheiten, eigentlich wußte sie alles, ohne daß darüber gesprochen wurde. Alles, besser als er es selbst wußte. In völliger Klarheit, wie könnte sie ihm helfen?

Sie stieg die Stufen hoch, den Weg zurück zum Markt, sie sah die schönen alten Häuser und dachte an die Menschen, die hier lebten. Eine Einfahrt, ein Hof, eine Kutsche.....
.....mit seinem Wappen.
Seine Kutsche, hier im Hof.

Sie ging näher, seine Kutsche. Ohne Zweifel und hier. Was hatte das zu bedeuten?
Sie fühlte sich schlecht, ertappt, hatte plötzlich Angst gesehen zu werden, wenn er jetzt käme, was sollte sie sagen, er würde es nie glauben. Nur weg! Sie war völlig verwirrt. Was hatte es zu bedeuten?
Wieso seine Kutsche hier? Er hatte doch ausrichten lassen, daß er in einem ganz anderen Ort bei einem Freund sei.
Sie hätte heulen können. Warum hatte sie sich darauf eingelassen?
Warum mußte ihr so etwas passieren. Oben brannte Licht, warmes Licht, gemütlich. Ob er dort war? Sie nahm noch einen Blick mit, als sie lief. Was machte er dort?
Hatte er Geheimnisse?
Es fiel ihr ein, ich habe eine Frau geliebt, vor Dir, sie hat mit mir Schluß gemacht, sie wohnt in dieser Stadt oberhalb der Kirche. Der Name fiel ihr ein, die Straße, ja, hier war ein Schild, die Straße.
Er war bei ihr. Aber warum heimlich, warum lügst Du mich an, Geliebter, ist Dir meine Liebe nicht gut genug?
Warum machst denn so etwas? Du tötest Dich selbst. Mein Geliebter, hör auf mit Deinem alten Spiel, willst Du nicht davon lassen? Gesund werden? Hör auf zu lügen, warum? Warum?

Die Gedanken schossen ihr durch den Kopf, wird er bei ihr genauso stöhnen, wie bei mir? So ein Blödsinn, warum sollte er anders sein. Ein Scheißkerl, dieser Prinz. So eine Scheiße, daß sie darauf reingefallen ist. Wird er sich wieder betrinken, weil er sonst keinen Mut hat, seine Gefühle zu leben. Dieser Schwächling, ich hasse ihn, ich liebe ihn. Warum tut er das?
Prinzessin, können Sie ihn aushalten? Wie einfach klang die Frage des alten Gärtners. So hatte sie es sich nicht vorgestellt.
Woher wußte der alte Mann das?
Ihr Prinz ist krank, Prinzessin, unschuldig, er kann nichts dafür, er braucht z.B. viele Frauen. Sie sind z.Zt. die Hofliebhaberin, aber es gibt Dinge, die er nur für sich macht und über die er sich auch mit niemandem mitteilt, Prinzessin. Das heißt nicht unbedingt, daß er mit jeder gleich vögelt, Entschuldigung, Prinzessin, wir Gärtner sind einfache Leute, wollen Sie es nicht wahr haben?

Lärm und Dunst von Alkohol schlugen der Prinzessin entgegen, als sie das Gasthaus betrat, in dem die Bürgerlichen und Studierten sich vergnügten. Da, ein freier Tisch, lärmende Leute, Anmache, Fröhlichkeit, so eine Scheiße und ich hier allein mit meinem Kummer. Was mache ich bloß?
Erst mal ruhig werden. Nachdenken. Nicht urteilen. Urteilen Sie nicht, Prinzessin, hatte der alte Mann gesagt. Das ist das Übel der Menschen, der Kopf und Urteilen.
Es gibt auch ohne Urteil richtig und verkehrt, Prinzessin, nicht vergessen, denken Sie daran! Und leben Sie wohl.
Sie hätte heulen können.

Ich treffe mich mit einem Freund, vielleicht können wir uns heute treffen? Bis bald!
Ein Scheißkerl, ein Lügner, ein Feigling, ein kaputte Ratte. Hinterhältig wie seine kaputte Mutter, Geliebte dieses Herzogs, sie kannte den Sohn des Herzogs, der sprach ganz anders davon. Mit ihrem Sohn sei die Fürstin angereist, der Herzog habe darauf bestanden, als der Sohn knapp erwachsen war, entweder der Sohn für die Herzogin oder du kannst mich vergessen. Die Frau liebte ihn, also wurde der Sohn beigeschleppt, man erzählte dem jungen Prinzen harmlos aufregende Geschichten, er wurde frisiert, zurecht gemacht und ab ging die Reise mit der Herzogin, Besuch in der großen Hauptstadt. Die große Welt, aufregende Getränke.
Und später, traf der Herzog Fürstin und Sohn. Vorher etwas Wein und Schnaps zur Einstimmung, die Fürstin war vielleicht doch ein einfaches Gemüt, etwas zu essen, das war anders als mit ihrem Landedelmann. Sohn, sei nett zu der Dame, Herrin, die Prinzessin mußte lachen.
Es gab eine Geschichte, wie der Herzog im Alter mit der Mutter ein Treffen mit dem Sohn arrangierte, es wurde feierlich eingestimmt, dann unter den prüfenden Augen der Mutter wurde für die besonderen Verdienste und das erlittene Unbill, irgend jemand sah es wohl inzwischen so, ein goldener Protzring mit Brillanten überreicht. Der Sohn hatte sich zu freuen, was er auch gehorsamst tat.
Wenn er heute zu gesellschaftlichen Anlässen geht, trägt er stolz den Ring des Herzogs, mehr ist ihm dazu noch nicht in den Sinn gekommen.

Und in diesen Scheißkerl hatte sie sich verliebt. Verehrte Leserin, verehrter Leser, dieses ist ein modernes und altes Märchen, und so werden Sie vielleicht feststellen, daß die Gefühle und Gedanken der Menschen in ihrer Eigenheit zu allen Zeiten gleich waren.

Die Prinzessin gab ihre Bestellung auf und spürte den abschätzenden und dann verlangenden Blick der Bedienung, ein junger Kerl oder Mann, er gab ihr ein Auge, das sie nicht erwiderte, aber auch nicht abtat.
Ihr Prinz, so ein Mistkerl, sie hätte rasend werden können, wenn sie darüber nachdachte. Sie zwang sich, in ihren Vorstellungen sachlich zu bleiben.
An jedem Finger konnte sie zehn haben, was denkt der sich. Wenn er sie nicht mehr liebt, warum sagt er es nicht? Was hatte sie ihm getan, daß er so mit ihr umging?

Das Bier tat ihr gut. Oder sollte sie lieber Wein trinken, es kannte sie niemand hier. Sie bestellte ein zweites Bier, diese Ohnmacht, diese Wut. Was würden andere Frauen machen in solcher Situation? Hingehen, und sagen, hier Du Lügner.... alles Unsinn. Sie hätte ihm eine Nachricht an seiner Kutsche hinterlassen könne, fiel ihr ein. Für was? Und was sollte es? Wollte sie es ihm überhaupt sagen? Vielleicht gab es eine Erklärung, vielleicht würde er von sich aus alles erklären, ja, so könnte es sein.

Sollte sie es auch so machen, dieser hübsche junge Mann da, sie könnte ihn sofort haben, war ihr Gefühl, oder der am Nachbartisch, auch ein Blödmann, sitzt verliebt mit seiner Freundin, ein freundliches, liebes Mädchen offensichtlich, und wirft hier heiße heimlich Blicke zu.
Alles kaputte Typen.
Einen Moment hatte sie Lust aufzustehen und zu dem Mädchen am Nachbartisch zu gehen und ihr zu sagen, weißt Du, Dein Freund ist auch so ein Scheißkerl, er sitzt hier mit Dir und belügt Dich in seinem Gefühl, er würde am liebsten mit mir.
....es hatte alles keinen Sinn. War sie schon betrunken?
Draußen goß es ins Strömen, wieso so ein Sturm heute, wie ihr Gefühl... Mondschein und eine milde Sommernacht hätte sie vorgezogen.
Der Kutscher, sollte sie jetzt noch einen der jungen Männer einladen?
Sie wollte es nur einmal wissen, ob sie vielleicht häßlich geworden wäre, einen Grund mußte es doch geben. Der Abort lag im Keller, auf der Treppe sprach sie einen beliebigen jungen Mann an, genau gesagt, legte sie ihre Hand in der engen Treppe auf seine Brust. Er zuckte zusammen, wie unter einem Peitschenhieb, sein Blick war wie der eines Lammes, ergeben und glückselig, da wußte sie, das war nicht der richtige. Sie ließ ihn stehen, unten wusch sich einer die Hände, es war alles egal, sie fuhr liebevoll und gekonnt über seinen Hintern, interessieren tat er sie nicht. Noch so ein Lamm. Danke, meine Herren, da betrinke ich mich lieber.

Kutscher, spann er an, wir fahren. Mein Prinz, mein Scheißkerl, warum tust Du mir das an?
Du fickst eine andere, bin ich nicht die Beste?
Ich kann Dir alles geben, was andere Dir auch nur geben können, ich kenne Deine geheimsten Wünsche, sogar die, die Du nicht einmal selbst kennt. Was willst Du mit der Schlampe?
Und ich liebe Dich.
Jetzt vielleicht nicht mehr. Prinzessin, was ist aus Dir geworden? Sollte er nur dasitzen und Bier trinken, bei seinem Temperament. Schwer vorzustellen, so wie der Prinz auf Erotik und Frauen anspricht. Vielleicht sprechen Sie nur über alte Zeiten? Und die Frau, was möchte die von ihm? Auch nur über alte Zeiten sprechen, oder über das Wetter, wäre ja jetzt ein gutes Thema.
Wie sagte der Prinz mal so nebenbei im Bett, das gibt es doch in jeder Beziehung, daß mal einer nebenher geht und lachte über das kirchliche Fräulein und ihren Mann, den es betraf.
Und wenn so etwas mal passieren würde, dann wäre das ja rein körperlich, seine Worte.
Na klar rein körperlich, was denn sonst, den Hofturm braucht er deswegen nicht neu beschindeln zu lassen.
Wieso ist ihr das nie aufgefallen, rein körperlich?
Ist doch fast eine Beleidigung, was machen sie denn, ist das nicht rein körperlich, ist das vielleicht Vokabeln lernen oder geistige Abgehobenheit.
Verdammt, darum liebe ich ihn ja, rein körperlich.
Und wenn Du mich nicht deswegen liebst, dann vergiß mich besser.
Rein körperlich, weswegen denn sonst? Du Mistkerl, ich habe über Deine Sprüche nicht nachgedacht.
Das überlegt man sich ja dann, ob man wegen eines Ficks eine Freundschaft aufs Spiel setzt. Scheißsprüche von Dir, ich habe nicht zugehört, jetzt verstehe ich sie ganz anders. Wenn Du wirklich ficken mußt, dann scheiß doch auf Deine Liebe zu mir, ich stehe da zu meinem Gefühl, aber ich muß es nicht, solange wir unser Ding machen, Prinz.

Prinzessin, sagte sie zu sich selbst, ich bin mit mir fertig.

Eine gefährliche Heimfahrt, dichtes Hinterland und schweres Unwetter. Prinzessin, seid ihr wohlauf?
Der alte Mann, was mochte er wohl denken? Fahr er vorsichtig, wenn er wüßte, daß sie heulen könnte, es ist alles gut hier, danke.

Ralf Rainer Kuehn